Peter Eötvös, der Pädagoge

Foto: Csibi Szilvia

In unserer Interview-Reihe über den Schirmherr der Chorakademie Peter Eötvös beleuchten wir verschiedene Facetten des Komponisten und Dirigenten. Hier spricht er über seine Stiftung und über Zeitgenössische Musik.

Herr Eötvös, Sie sind nicht nur Komponist und Dirigent, sondern haben auch eine Stiftung gegründet, die gleichermaßen junge Komponisten wie Dirigenten ausbildet. Wie sieht das aus?

Die Peter Eötvös Stiftung für Zeitgenössische Musik unterstützt jährlich vier junge Musiker. Das sind immer zwei Dirigenten und zwei Komponisten. Innerhalb einer dreijährigen Periode werden so insgesamt zwölf Musiker ausgebildet. Die Ausbildung erfolgt immer zusammen in gemeinsamen Projekten.

Wie sehen solche Projekte aus?

Es gibt immer dreijährige Projekte, unser momentanes Projekt heißt „Struktur“. Dabei reisen wir nach Paris, wo ich das Ensemble Intercontemporain dirigiere. Da können die Stipendiaten in einer Probe mitdirigieren. Außerdem bringe ich sie zum Concertgebouw nach Amsterdam, wo sie den Orchestermanager treffen. Es ist wichtig für mich, dass die Stipendiaten immer zusammen reisen. Was nächstes oder übernächstes Jahr ansteht, das wissen wir noch nicht.

„Musik muss man lernen, um sie verstehen zu können“

Mal was ganz anderes: Wie wichtig ist Zeitgenössische Musik?

Ziemlich wichtig. Ich freue mich, wenn meine Musik nicht nur aufgeführt wird, sondern auch in der Aufführung verstanden wird. Wobei „verstehen“ eigentlich ein falsches Wort für Musik ist, denn es geht nicht um das Verstehen wie in der gesprochenen Sprache.  Musik muss man mitlernen und nicht einfach  bloß anhören. Denn wenn man Musik zum ersten Mal hört, dann ist das wie eine Sprache, die man noch nie gehört hat. In der Neuen Musik kommt sehr oft die Behauptung vor: „Das kann man doch gar nicht verstehen“. Ich würde dann sagen: „Verstehen“ können Sie nur dann, wenn die musikalische Sprache sehr ähnlich zu dem ist, was Sie schon kennen. Die Musik benutzt Sprache genauso wie ein Buch. Sie erzählt uns eine Geschichte oder bestimmten Inhalt. Wenn Sie also die Sprache beherrschen, dann können Sie auch auf den Inhalt achten und ihn verstehen. Viele Leute aber hören ein Stück zum ersten Mal und fällen sofort ihr Urteil. Entschuldigung, aber erst wenn sie das Werk so oft wie Beethovens Fünfte gehört haben, können sie werten. Diese Symphonie galt seiner Zeit auch als totaler Avantgarde-Quatsch.

So eine intensive Auseinandersetzung mit der Musik scheint in der Realität allerdings eher utopisch.

Es gibt eine natürliche Auslese. Wenn jemand nicht unbedingt aus dem Laienpublikum, sondern ein bisschen aus dem Milieu kommt, dann lässt sich schon nach dem ersten Hören feststellen, ob das Werk einem prinzipiell zusagt oder nicht. Da muss man nicht nochmal nachfühlen. Und dann gibt es eben auch die Stücke, wo man sagt: Das muss ich nochmal hören.

Um sie zu verstehen?

Um sie zu kennenlernen wie eine Sprache.

Man lernt Neue Musik?

Man lernt Neue Musik wie jede Musik durch Wiederholung, genauso wie Sport. Kennenlernen kann man nur das, was regelmäßig wiederholt wird. Wie ein Kind, dass auf diesem Weg sprechen lernt. Durch die Wiederholung inhaliert man und versteht. Dann wird die Musik Teil von einem selbst.

Das Interview führte Sophie Emilie Beha